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Stefan Matysiak:
Grundlage
Bilder, die einen vollständigen Neuanfang der deutschen Presse nach dem Zweiten Weltkrieg illustrieren, prägen bis heute sowohl die ost- als auch die westdeutsche Pressegeschichtsschreibung. Der ostdeutsche Presseneuaufbau gilt als besonders konsequent, da er neben der Entnazifizierung zugleich den frühzeitigen sozialistischen Wandel der Eigentumsformen einschloss. Die vorliegen-de Arbeit untersucht dagegen die verlegerischen Kontinuitäten der Zeit nach 1945: Die Pressegeschichte der ostdeutschen Nachkriegszeit hat nicht - wie vielmals behauptet - mit einem Blackout oder einem Vakuum begonnen, die Entwicklung der ostdeutschen Vorkriegspresse brach nicht mit der Kapitulation am 8. Mai 1945 vollständig ab. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den nach dem Kriegsende weiter bestehenden Zeitungen, die auf den ersten Blick nicht in das bisherige Bild der Pressegeschichte passen wollen, nachzuspüren. Dabei wird gefragt, in welchem Ausmaß traditionelle Zeitungen oder Verlage das Kriegsende und die Enteignungen überstanden, welche Rolle die alteingesessenen Zeitungen in der Nachkriegszeit spielten und wie sie in das politische Konzept der Sowjetischen Militäradministration passten. Schließlich wird geklärt, inwieweit die alteingesessenen Verlage einen Beitrag beim Aufbau eines neuen ostdeutschen Pressewesens leisteten Stefan Matysiak
Die erste
ostdeutsche Zeitung bzw. die erste ostdeutsche Tageszeitung nach dem Krieg
war nicht die Tägliche Rundschau oder die Deutsche Volkszeitung, heißt
es hier auf der Webseite. Sondern die erste ostdeutsche Nachkriegszeitung
erschien bereits Wochen früher.
Matysiak,
Stefan: .
Die sowjetische Besatzungsmacht und später die DDR-Regierung vergaben Lizenzen nur an Parteien und große Organisationen. Lediglich zwischen 1946 und 1953 konnten auch private Tageszeitungen erscheinen, so die Leipziger Zeitung, Berlin am Mittag, Altenburger Nachrichten, in Weimar die Abendpost, in Potsdam die Tagespost und der Nacht-Express in Berlin. Der Express-Verlag konnte sich dabei mit Zeitschriftentiteln wie Illustrierter Radsport-Express, Der Sammler-Express oder Der Kleingärtner und Siedler zu einem differenzierteren größeren Verlag entwickeln. Auch die liberaldemokratischen Parteizeitungen Norddeutsche Zeitung oder Der Morgen hatten anfangs private Lizenzinhaber. Die privaten Zeitungen wurden jedoch bis spätestens Anfang der 1950er Jahre geschlossen bzw. die Lizenzen auf die ostdeutschen Parteien übertragen. Nachkriegszeitung/Nachkriegszeitungen bzw. Nachkriegspresse
Die Lizenzen waren bis zum Zusammenbruch der DDR nötig, um einen Titel publizieren zu dürfen. Die Anzahl der Tageszeitungen der DDR blieb dadurch während der vierzig Jahre nahezu konstant. Auch in der DDR wurde in der Verfassung die formelle Pressefreiheit verankert. Jedoch gab es durch Verordnungen, Bestimmungen und Kontrollen der Behörden zahlreiche Einschränkungen, so dass von einer Pressefreiheit, wie westliche Demokratien sie kennen, nichts mehr übrig war. Ein Pressegesetz gab es nicht. Auch von einer Informationsfreiheit kann man nicht sprechen.
Vertrieben wurden die Titel ausschließlich über den Postweg, so konnte der Staat am besten seine Kontrolle ausüben. Kontrolliert wurden die Massenmedien durch den Staatsapparat, oberste Behörde war hierfür die Abteilung Agitation und Propaganda des Zentralkomitees der SED.
Genehmigte, aber trotzdem nicht gern gesehene Publikationen hatten durch Restriktionen oft Rohstoffmangel, um ihre Titel drucken und veröffentlichen zu können. Die Tageszeitung mit der höchsten Auflage war die Junge Welt der FDJ (1989 circa 1,3 Millionen Exemplare), vor Neues Deutschland (1989 knapp eine Million Exemplare), dem Zentralorgan der SED. 1989 gab es in der DDR noch 39 Tageszeitungen, davon 30 Regionalzeitungen. Ihre Gesamtauflage betrug um die 9,7 Millionen Exemplare. Die SED selbst gab 15 Bezirkszeitungen heraus, diese wurden nach der Wiedervereinigung an westdeutsche Verlage, durch die Treuhand, verkauft. Zu den Printmedien der DDR gehörten außerdem 30 Wochenzeitungen und Illustrierte, darunter Fernseh-, Familien-, Frauen- und Modezeitschriften (insgesamt circa neun Millionen Exemplare); nicht zu vergessen die sehr beliebte und noch heute viel zitierte Satirezeitschrift Eulenspiegel.
Steuerung der Inhalte der Medien
Gegenstände und Schwerpunkte der Berichterstattung der Medien wurden zentral vorgegeben. Diese zentrale Vorgabe erfolgte durch das Politbüro des Zentralkomitees (ZK). Dem ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda war unter anderem die Abteilung Agitation unterstellt, die für die Organisation und Lenkung der Massenmedien verantwortlich war. Instrumente der Steuerung waren tägliche Konferenzen in Berlin, Konferenzschaltungen zu den übrigen SED-Zeitungen und Presseanweisungen. Ein weiteres Instrument waren die „Anleitungen“ des Presseamtes der DDR-Regierung.[2]
Auf lokaler Ebene erfolgte dieser Prozess über die staatlichen „Ämter für Information“, die ebenfalls „Anleitungen“ gemäß der Ost-Berliner Vorgaben erließen. Auch über die Parteizentralen wurde eine indirekte Zensur durch die Vorgabe von den Redaktionen täglich über Fernschreiber zugestellten Pflichtthemen, Kommentarargumenten, Schlagzeilenformulierungen und „Sollplänen“ ausgeübt. Unter Redakteuren der Provinzzeitungen herrschte deshalb das geflügelte Wort: „Meine Meinung kommt um zwei Uhr aus Berlin!“